Die gewaltsame Vereinigung Schottlands mit England hat das Nationalgefühl der Schotten ungemein gestärkt und ihren Stolz beflügelt. Vor allem die folgende Unterdrückung, das Verbot der Traditionen und ihrer Sprache, die Zerschlagung des Clansystems (das die Kranken- und Altersversorgung der Schotten darstellte) und die gewaltsame Leerung der Highlands (Clearances) zugunsten der Schafzüchter und ihrer Schafe und zur Umwandlung in Wildparks im 18. und 19. Jahrhundert haben den inneren Widerstand wachsen lassen. Das drückt sich auch in den wiederholten Referenden zur Trennung von England aus. Für die Engländer waren die Schotten immer nur die Wilden und Barbaren im Norden und wurden geringer geachtet als die Bürger der Kolonien in aller Welt. Auch heute klingt manchmal noch ein bißchen Geringschätzigkeit mit, wenn Engländer auf Schotten zu sprechen kommen, aber nur mehr bei den Unverbesserlichen.
Sir Walter Scott hat in den Engländern die Liebe zu Schottland (wenn auch nicht zu den Schotten) erweckt. Anläßlich des Besuches von Georg IV in Schottland 1822 entwarf er ANGEBLICH die als so traditionell empfundenen Tartans und ließ die Clanführer so gekleidet aufmarschieren. Der König und seine Begleiter waren hingerissen und der König legte sich gleich so ein Kostüm zu. Allerdings ist das Weben karierter Stoffe viel älter als der Designer-Einsatz des Sir Walter Scott, denn schon immer haben schottische Frauen ihre ureigenen Muster in den vorhandenen und bevorzugten Farben gewebt und damit Familienmuster geschaffen. Die “gewürfelten” Stoffe der Schotten kannte man schon lange vorher, seit dem 16. Jahrhundert sind Kilt und Tartan nichts Neues. Und der Dubh, der traditionelle Dolch des schottischen Kriegers, steckt seit altersher in ihrem Strumpf.
Seit 1822 ist Schottland des Engländers liebstes Urlaubsziel und viele Engländer haben sich in ihrem Ruhestand in den Highlands angesiedelt und manche von ihnen verschaffen sich mit B&B einen Zuschuß zu ihrer Rente. Natürlich wirkt sich das auch auf das Ergebnis der Referenden aus … Bisher konnten sie die Trennung erfolgreich vermeiden, haben oder hatten sie ja auch viele Schotten auf ihrer Seite. Trotzdem ist die große Liebe recht einseitig, aber das Königshaus wird in Schottland respektiert. Naja, die Queen Mum war ja auch Schottin und heiß geliebt und hat immer noch ihren festen Platz im Herzen der Schotten. Besondes stark merkt man das in ihrem Sommerschloß ganz im Norden der Highlands.
Nach dem Jakobitenaufstand und der Schlacht von Culloden wurde Schottland komplett mit England vereinigt und verlor seine ganze, wenn auch rudimentäre Eigenständigkeit. Sprache und Traditionen, wie auch der Dudelsack, wurden verboten, 1707, nach dem ersten Jakobitenaufstand 1689, wurde das schottische Parlament aufgelöst und mit dem englischen zum britischen Parlament zusammengelegt. Allerdings hielten manche Verbote nicht lange an und wurden nach wenigen Jahrzehnten wieder aufrgehoben. Ihr Parlament erhielten die Schotten allerdings erst nach dem zweiten Referendum (1979 beim ersten stimmte schon die Mehrheit der Schotten für IHR Parlament) gab Londen 1998 den Scotland Act heraus, der die Grundlage für ein schottisches Parlament schuf. Die Eröffnung des neu gewählten Parlaments erfolgte am 12. Mai 1999.
Aber nicht nur politisch, auch geologisch sind Schottland und England zwangsvereinigt, denn sie stammen von verschiedenen Urkontinenten: Schottland von Laurentia, wie Grönland und Nordamerika, und England von Gondwana, also Eurasien. Wie man unschwer sehen kann, sind die Unterschiede praktisch in Stein gemeißelt. Trotzdem haben sie sich im Laufe der Zeit abgemildert, vor allem, weil viele Schotten in London und anderen englischen Städten arbeiten. Sie bringen dann natürlich auch eine viel tolerantere Sicht der Dinge mit nach Hause
.Auch in England hat sie die Einstellung normalisiert. Schottische Regimenter kämpften im Ersten und Zweiten Weltkrieg für Großbritannien und ihre Tapferkeit ist legendär. So erwarben sich die Schotten nicht nur in ihrer Heimat Achtung und Respekt.
Viele Erfinder und Wissenschaftler mit Weltruf stammen aus Schottland, auch wenn man sie als Briten kennt und viele Leute nicht wissen, daß sie Schotten waren, schottische Literatur und Poesie haben sich über die ganze Welt verbreitet. Heute ist Schottland in aller Munde und für viele Menschen rund um die Welt das Land der Sehnsucht. Das merkt man auch an den Tourismuszuwächsen …
Brexit hat den Prozeß derTrennung wieder neu entflammt. Die Schotten haben mit deutlicher Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt, die Engländer (bis auf London) überwiegend für den Austritt, vor allem die ältere Generation, die das Empire immer noch im Herzen trägt, was auch den Generationenkonflikt schlimm angeheizt hat. Die wirtschaftlichen Folgen haben alleTeile der Insel gemeinsam zu tragen, was nicht nur die Schotten sehr verärgert, und so betreibt Schottland erneut eifrig die Vorbereitungen für ein neues Referendum zur Trennung vom Rest der Insel. Die schottische Regierung hat auch schon bei der EU vorgefühlt, wo sie auf keinen nennenswerten Widerstand trifft - so denn die Trennung vollzogen wird und Faktum ist
.London ist davon wenig begeistert, was verständlich ist, denn auch Wales und Cornwall sind unsichere Kandidaten, was ihre Einigkeit mit der Zentralregierung betrifft. Eine Trennung Schottlands vom Vereinigten Königreich hätte weitreichende Folgen, weshalb London auch keine Zustimmung zu einem erneuten Referendum erteilt hat. Allerdings hat die Regierung in London schon mehr als genug Probleme.
Die vereinigte Uneinigkeit schreibt, wie man sieht, ständig neue Kapitel in der Geschichte der Insel